Ringvorlesung 'Les Balkans n'existent pas. Erbschaften im Südosten Europas'

balkan

Herbstsemester 2013, Dienstag 18:15–19:45, Hörsaal 001, Kollegienhaus, Universität Basel

1992 läutete der provokative Slogan „La Suisse n’existe pas“ auf der Weltausstellung in Sevilla eine nachhaltige Aufarbeitung der Schweizer Geschichte und des Schweizer (Selbst-)Bildes im öffentlichen Bewusstsein ein, das sich von seinen Helden und Mythen verabschieden durfte. Das Motto der Ringvorlesung „Les Balkans n’existent pas“ greift diesen herausfordernden Gedanken auf. Die genauen Kenntnisse über den Balkan können dazu verhelfen, die Vielfalt und Einmaligkeit der Region jenseits von Fremd- und Eigenprojektionen ans Licht zu bringen.
Die Stereotype zum Balkan sind in der Schweiz zu Genüge bekannt. Sie sind erst vor dem Hintergrund der postjugoslawischen Kriege und der daraus entstandenen Emigrationen in den Westen seit den frühen 1990er Jahren zu verstehen. Dabei konnte man relativ leicht Projektionen der europäischen Grossmächte reaktivieren, welche mit der ‚Orientalischen Frage‘ im ausgehenden Jahrhundert 19. Jahrhundert virulent wurden. Sie schienen sich mit den Balkan-Kriegen 1912/1913 und dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger in Sarajevo nur noch zu bestätigen.

Seit längerem fragen die Area Studies danach, was hinter solchen Diskursen ‚real‘ und regionsspezifisch sein könnte. Die Antwort darauf fällt nicht so einfach aus: Während eurozentristische Perspektiven den verzögerten Entwicklungsstand der Region unterstreichen, kommen komparatistische Ansätze zum Schluss, dass erst die spezifische historische Konstellation der neuen Weltordnung nach dem Ende des Kalten Kriegs zu einer Eigendynamik der Ereignisse geführt hat. Mit unserem Motto schliessen wir uns dem Erkenntnisstand an, dass sich der Balkan gerade nicht durch anthropologische Spezifitäten auszeichnet. Vielmehr besetzt er geographisch, kulturell und historisch wichtige Bruch- und Schnittstellen, die es genauer in den Blick zu nehmen gilt.

In diesem Sinne: „Les Balkans n’existent pas“ – ausser vielleicht in Form des gleichnamigen bulgarischen Gebirges, das die Türken so benannten.

Als wissenschaftlicher Beitrag ist die Vortragsreihe Teil des Festivalprogramms der Culturescapes Balkan.