Ringvorlesung "Moskau: Metropole zwischen Kultur und Macht"

moskau

Dienstag, 18 – 20 Uhr, Kollegienhaus, Vesalianum, Universität Basel

Die Ringvorlesung «Moskau – Metropole zwischen Kultur und Macht» thematisiert aus der Sicht verschiedener Disziplinen die Stadt Moskau als einen der grossen und für eine kulturelle Stadtforschung aufschlussreichen Orte der europäischen Kulturgeschichte. Der Fokus liegt auf dem Wechselverhältnis zwischen Kultur und Macht, das diese Stadt in ihrem Aufstieg zur Metropole immer prägte. In den Blick kommt Moskau als Metropole, politisches Zentrum und eigener Kosmos ebenso wie als Raum verschiedener kultureller Nischen.

Moskau ist schon in seiner baulichen Struktur auf exemplarische Weise ein Produkt verschiedener Machtkonstellationen, so wie die Stadt immer wieder auch selbst zum Gegenstand von ästhetischen Diskussionen und von Darstellungen wurde. Entsprechend reich, auch dies wird ein Thema sein, ist das Bild der Stadt in Literatur und Film. Moskau ist aber auch der Ort von kulturellen Institutionen mit gewaltiger innerer Anziehungskraft und grosser Aussenwirkung – man denke nur an das Konservatorium, das Filminstitut oder gewisse Literatur- und Kunstzirkel. Gerade im Schatten der zentralen Macht wurden diese immer wieder auch zum Ort intellektuellen Widerstands gegen die scheinbar allmächtige offizielle Politik.

In der Vorlesung verbinden sich auf seltene Weise die Perspektiven von Geschichte, Kulturgeographie, Literatur, Film, Architektur, Kunst und Musik; so sollen auch verschiedene methodische Zugänge einer kulturwissenschaftlichen Stadtforschung skizzert werden. Eine historische Untermauerung ist dabei ebenso Teil des Konzepts wie ein Schwergewicht auf dem 20. Jahrhundert; auch die postsowjetische Gegenwart wird gut repräsentiert sein.

Die Vortragsreihe ist eine Kooperation des Slavischen Seminars und des Kompetenzzentrums Kulturelle Topographien der Universität Basel. Als wissenschaftlicher Beitrag ist sie Teil des Festivalprogramms der CULTURESCAPES Moskau

Raumänderung

Alle Vorlesungen der Ringvorlesung finden neu im Vesalianum, Vesalgasse 1, statt im Hörsaal 118 statt!

Programm

18. September 2012 Einführung
Thomas Grob, Universität Basel

25. September 2012 Moskau auf dem Weg zur Metropole der Macht
Frithjof Benjamin Schenk, Universität Basel

Moskau ist heute die grösste Stadt Europas. Diese Karriere war nicht absehbar, als sich das kleine Teilfürstentum im 14. Jahrhundert aus der Mongolenherrschaft zu befreien begann. In der Vorlesung soll der Aufstieg Moskaus von einem regionalen Zentrum zu einer boomenden Weltmetropole  nachvollzogen werden. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Funktion Moskaus als Hauptstadt des Zarenreiches im 16. und 17. Jahrhundert und auf die Konkurrenz mit der Kapitale Sankt Petersburg im 18./19. Jahrhundert gelegt. Ein Ausblick beleuchtet schliesslich die symbolische und politische Bedeutung der Stadt in der UdSSR.

2. Oktober 2012 Stadtraum zwischen Realität, Symbol und Phantasma: Moskau in der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts
Thomas Grob, Universität Basel

Das literarische Bild Moskaus spielt mit der Faszination der Metropole. Ob der Teufel die Stadt besucht, ob man in  Kommunalwohnungen oder elitären Vorzeigebauten lebt, ob Geschichten von Literaten, von Trinkern, von Outsidern oder vom einbalsamierten Lenin handeln, ob die Stadt liebevoll oder kalt wirkt – immer liegt über Moskau ein Magnetfeld der Macht, das alle Bewohner der Stadt beeinflusst und aus dem schwer zu entkommen ist.

9. Oktober 2012 Die Moskauer Metro als Verkörperung des Sozialismus
Dietmar Neutatz, Universität Freiburg i.Br.

Die Moskauer Untergrundbahn ist mehr als nur ein Verkehrsmittel. Nicht nur ihre ungewöhnliche Architektur verkörpert den Sozialismus. Schon bevor sie in Betrieb ging, wurde sie als «Schmiede des neuen Menschen» und als Symbol des Aufbruchs in eine bessere Zukunft inszeniert.

16. Oktober 2012 Paris – Moskau – Paris. Künstler auf Bilderreise
Barbara Schellewald, Universität Basel

Die Reise von Henri Matisse nach Moskau 1911 hat deutliche Spuren in seinem Oeuvre hinterlassen. Im Kontakt mit prominenten Sammlern wurde ein nachhaltiges Interesse für die fremde Bildwelt geweckt. Gemalte Ikonen, aber auch Objekte aus Emaille übten nicht allein auf Matisse eine grosse Faszination aus.

23. Oktober 2012 Moskau-Bilder im post/sowjetischen Film
Tatjana Simeunovic, Universität Basel

In Russland, und insbesondere in Moskau, hat das Medium Film seit seinen Anfängen einen zentralen Stellenwert. Die Vorlesung lädt ein zu einer Entdeckungsreise durch die faszinierende Bilderwelt der Metropole, deren ständiger Um- und Aufbruch sich seit den 1920er Jahren im (post-)sowjetischen Kino spiegelt.

30. Oktober 2012 Moskauer Architektur und Städtebau nach 1991
Werner Huber, Hochparterre

Nach dem Ende der Sowjetunion hat sich das Bauwesen grund-legend geändert. In Moskau liess der Bauboom lange auf sich warten, doch dann hat sich die Stadt zu einer Boomtown ent-wickelt. Gute Architektur hat allerdings einen schweren Stand, der Umgang mit dem architektonischen Erbe ist oft fahrlässig.

6. November 2012 Spuren und Spiele. Die Stadt im Blick westlicher Schriftsteller der Zwischenkriegszeit
Alexander Honold, Universität Basel

In der europäischen Zwischenkriegszeit stellte Moskau für Schriftsteller und Intellektuelle aus Deutschland, Frankreich und anderen westeuropäischen Ländern einen «Fluchtpunkt» ideologischer Art dar, und für etliche auch ein reales Reiseziel. So kamen u.a. Ernst Toller, Joseph Roth, Egon Erwin Kisch, Walter Benjamin, Oskar Maria Graf und Lion Feuchtwanger als Besucher in die Stadt, um Kontakte zu knüpfen, Reden zu halten, Impressionen für ihre Reiseberichte zu sammeln. Wie haben sie sich in Moskau bewegt, was haben sie gesucht, was haben sie (nicht) wahrgenommen? Wie reflektieren ihre publizierten Reiseberichte die jeweiligen politische Erwartungen, Enttäuschungen und Konflikte?

13. November 2012 N.N.  

20. November 2012 Moskauer Musik, Moskau in der Musik
Dorothea Redepenning, Universität Heidelberg

Moskau hat immer im Schatten von Petersburg gestanden, auch was die Musik angeht. Als «russische» gegenüber der «europäischen» Hauptstadt hat es aber auch immer Beachtung gefunden. Das zeigt sich etwa besonders anschaulich beim Petersburger Komponisten Modest Musorgskij. Es zeigt sich auch in der Geschichte der beiden Konservatorien. Ganz anders stellt sich Moskaus Rolle als Musikstadt im 20. Jahrhundert dar, was ein Blick auf das Moskauer Konservatorium, seine Dozenten und Absolventen veranschaulichen soll.

27. November 2012 Der Moskauer Konzeptualismus – eine künstlerische Topologie 
Sabine Hänsgen, HU Berlin

In der Spannung zwischen Zentrum und Peripherie reflektieren die Künstler und Schriftsteller des Moskauer Konzeptualismus, einer ästhetischen Strömung im sowjetischen Underground, kritisch und ironisch die durch Architektur, Bilder und Texte geschaffenen Mythologisierungen der Metropole Moskau.

4. Dezember 2012 Wird Moskaus Peripherie zum neuen Zentrum? Die Metropole und ihr Umland
Jörg Stadelbauer, Universität Freiburg i.Br./Köln

Jenseits des Autobahnrings, seit den 1960er Jahren die administrative Grenze Moskaus, griffen früher nur Dača-Siedlungen in den Grüngürtel ein, der die Stadt umgab. In der Transformation lässt das metropolitane Wachstum neue Wohnsiedlungen und Gewerbeanlagen entstehen. Kann die 2011 beschlossene Ausweitung des Stadtgebiets nach Südwesten die Strukturprobleme lösen?

11. Dezember 2012 Die Moskauer Literatur der Gegenwart
Tomáš Glanc, HU Berlin

Moskaus Topographie erscheint in der zeitgenössischen russischen  Literatur in einer dokumentaristischen Direktheit, ohne übertragene Bedeutungen und Geheimnisse, als eine Szenerie, die kein Zeichen ist für irgendetwas «Anderes», sondern ein Ort der blossen – grausamen – Präsenz.